Quo vadis, Europa? Quo vadis, Logistik!

Gedanken zu aktuellen Prognosen …

 In der aktuellen Ausgabe der Logistik express Zeitschrift steht ein interessanter Artikel zum Thema „eigene Meinung zur Zukunft bilden “. Treffend wird dargestellt, wie schwer es derzeit ist, sich eine solche  zu bilden, je nach Informationsquelle widersprechen sich Fakten, Experten und Politiker. Und das gilt nicht nur für das „heiße Eisen“, den Euro. Ganz Europa, ja die Welt scheint in einer Phase des Umbruchs, aber in welche Richtung? Und wohin steuert dabei „die Logistik“?

Beispiel gefällig? Laut jüngstem BVL Logistik Indikator hat sich der Wirtschaftsbereich Logistik in Deutschland auf hohem Niveau stabilisiert und ist auf Wachstumskurs. Und jawohl, passend dazu veröffentlicht das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden gute Nachrichten, der Deutsche Außenhandel legt zu! Nach dem schwachen Vormonat stiegen die deutschen Ausfuhren im Monatsvergleich um 3,9 Prozent, das ist das stärkste monatliche Plus seit März 2011. Die Einfuhren kletterten sogar um 6,3 Prozent und damit so deutlich wie seit zwei Jahren nicht mehr. Und auch im  Inlandsgeschäft ist der befürchtete Einbruch in vielen Bereichen bisher ausgeblieben, beispielsweise  zog die Nachfrage bei deutschen Maschinenbauern um fünf Prozent an.

Aber es kommt immer darauf an, WANN fragt. Siehe die derzeitigen Transportpreise, eine mögliche Ursache für den derzeit zu beobachtenden Preisanstieg könnte die objektive Mengenentwicklung sein. Traditionell, so schreibt die VerkehrsRundschau in ihrem Index Bericht, ist das erste Quartal eines Jahres ein eher schwächeres. Daher gaben für das zweite Quartal auch 42,3 Prozent der Fuhrunternehmen an, dass ihr Aufkommen in den letzten drei Monaten höher war. Im Quartal zuvor hatten nur 24,3 Prozent der Dienstleister eine solche Entwicklung beobachtet. Eine steigende Nachfrage geht oft einher mit steigenden Preisen, unabhängig von subjektiven Prognosen. Das ist Business Intelligence, nicht Kaffeesatzleserei …

Und eskommt es immer darauf an, WEN man fragt…
Nochmals die VerkehrsRundschau… Bei den Preisprognosen gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen den Dienstleistern und den Verladern zu beobachten. Während bei den Dienstleistern nur 38,5 Prozent der Befragten die Hoffnung haben, mehr Geld für die Transporte zu bekommen, stellen sich 57,0 Prozent der Verlader darauf ein, dass sie künftig für den Frachtraum tiefer in die Tasche greifen müssen.

Und, es kommt darauf, WO man fragt…
Laut aktueller Aussage des Nationalen Chinesischen Statistikamts und Chinas Verband für Logistik und Einkauf Juni rutscht der chinesische Einkaufsmanagerindex auf ein Sieben-Monats-Tief! Damit ist die Stimmung in der chinesischen Industrie auf den tiefsten Stand seit Ende 2011 gefallen. Der Index weist also auf eine weitere Abkühlung der Konjunktur hin, und wenn China hustet, bekommen wir dann nicht Grippe? Wobei bei den deutschen Reedern viel schlimmere Kranmkheitssymptome zu beobachten sind! Pleiten und Fusionen stehen bevor. 80 Prozent erwarten, dass etliche Reedereien das nächste Jahr nicht überstehen werden, ergab eine Umfrage von teleResearch Mannheim unter mehr als 100 Reedereien im Auftrag der Beratungsfirma PwC.
 
Strategiewechsel in Zeiten düsterer Aussichten?
Und dieses düstere Szenario schlägt schon auf strategische Weichenstellungen in einzelnen Unternehmen durch. Laut einem Bericht in der Transport Intelligence vom 9. Juli wird die NYK Group sich im Angesicht dieser Seefrachtkrise zukünftig auf Kontraktlogistik und Freight Forwarding konzentrieren, NYKs President Yasumi Kudo will dafür die erst im April 2011 formulierte Unternehmensvision „kraftvoll verändern“. Er sagt im Interview mit Bloomberg, „wir haben im Logistiksektor bessere Chancen Geld zu verdienen als im Shipping…dort sind die Margen klein, aber stabil.“  Doch solche strategischen Neuausrichtungen dauern. Und erfordern viel operative und unternehmerische Kraft, binden Personal-Ressourcen und kosten Geld für das Logistikmarketing. Und verwirren nicht zuletzt oft auch den Kunden und gefährden darüber hinaus die Wettbewerbsposition. Der Auf- und Ausbau einer starken Marke als Kontrakter sollte darüber hinaus auch nicht angstgetrieben sein, sondern eher auf einer objektiven Analyse verifizierbarer, bitte gerne positiver  Daten beruhen.

Wobei wir wieder am Anfang der Betrachtung wären, was sind schon langfristig verifizierbare Daten? Geht es doch um Investitionsaussichten, Einschätzungen, das Gespür für Entwicklungen, Trends und Opportunities. Um hier Chancen statt Risikien zu erkennen (und umzusetzen) braucht es Optimismus. Schon die  von Prof. Klinkner, Vorsitzender des Vorstands, Bundesvereinigung Logistik aktuell kommentierte „gewisse Verunsicherung in Industrie und Handel“ ist da gefährlich. Schon droht ein „gegenüber dem Vorquartal leicht reduzierter Aufbau von Sachkapazitäten – und einem für die Zukunft erwarteten geringfügigen Abbau von Personal.“ Personal, damit sind wir dann auf der kleinsten Ebene aller Vorhersagen angekommen, dem Mitarbeiter. Gerade in Zeiten von Fachkräfte und Fahrermangel ein wertvolles logistisches Gut, liest er all diese widersprüchlichen Informationen und ist verunsichert. Und dann bleibt dann manch gutes und wichtiges Zukunftsprojekt in der Schublade, wer hat schon Lust auf eine „No Action-Talk Only-Attitude seiner Vorstandsebene? Werden dort Projekte auf Pending gesetzt, Zusagen, Strategien und Expansion „auf das Kerngeschäft fokussiert“, dann wird aus Verunsicherung oft bleiernde Kommunikation, lahmende Innovation und die innerliche und operative Rezession. Und das wäre doch schade!

Bleiben wir also strategisch optimistisch und laufen nicht jeder Meinung hinterher.
Schließlich sind Prognosen schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen!